Laudatio

Hommage an Renate Christin

Vernissage Renate Christin | Foto: Wolfram Schmidt

Werte Festgesellschaft,
liebe Renate,

Renate, du bist ist eine der ganz großen Gestalten der Kunstszene. Nicht nur in Ostbayern, sondern durch deine zahlreichen Kunstprojekte und dein ehrenamtliches Engagement weit darüber hinaus.

Dein Werk ist umfangreich und vielfältig. Auch habe ich das Glück, dich durch ein paar gemeinsame Ausstellungsprojekte als Mensch und als Künstlerin recht gut zu kennen. Deshalb möchte ich zur Feier deines Lebenswerkes ein paar Schlaglichter auf deinen Lebensweg und deine künstlerische Entwicklung werfen.

Die Kurzversion: Vom Bürojob im regulären Angestelltenverhältnis hinein ins Atelier, erst im Keller, später dann im Erdgeschoß mit wunderbarem Panoramablick auf den großen Garten eures Hauses, hinaus in die Welt – hast ein multinationales Netzwerk aufgebaut – und bist immer wieder zurück gekommen, zu deinen Wurzeln in Regensburg, um dann wieder auszufliegen – in wechselnden Rhythmen, wie in einem gut komponierten Musikstück – als Solistin aber auch im großen Orchester.

Die etwas längere Version: Ihre erste Ausstellung hatte Renate Christin vor sage und schreibe 50 Jahren, 1974 in der Kleinen Galerie in Bad Abbach. Eher ein Experiment als ein geplanter Karrierestart. Der Galerist urteilte: „Die hat einen frechen Strich, die gefällt mir, die nehm ich.“ Er behielt Recht, nicht nur ihm gefielen Renate Christins Arbeiten, sondern auch dem Publikum Es kaufte.

Gestärkt von diesem positiven Echo, machte Renate Christin – berufsbegleitend quasi – eine professionelle Ausbildung. Sie besuchte die Internationalen Sommerakademien der Universität Haifa in Salzburg und Millstatt, 1980 studierte sie als Meisterschülerin bei Prof. Albert Bitran (Paris) und erhielt 1989 ein Stipendium für den Aufenthalt im „Virginia Center for the Creative Arts“ in den USA. Damals wie heute ein hoch begehrter Artist-in-Residence-Ort.

Nicht kometenhaft, sondern Schritt für Schritt, beharrlich und kontinuierlich und zu 100% hat Renate Christin ihren Weg gemacht, vielmehr sie hat sich ihren Weg selbst gemacht. Bemerkenswert – meine subjektive Auswahl
-- Renate Christin hat ihrer inneren Stimme vertraut, ihr Raum gegeben
-- keine halben Sachen gemacht
-- Familie und Kunst gemeinsam mit ihrem Mann Heinz und ihren Töchtern unter einen Hut gebracht

Renate Christin sagt von sich selbst, dass sie die Dinge in ihrem Leben nicht suche, sondern dass die wesentlichen Ereignisse doch immer auf sie zugekommen seien. Dazu gehört aber in jedem Falle ein wacher Geist und der Mut, die gebotenen Gelegenheiten beim Schopfe zu packen.

Zurück ins Jahr 1989: Ab diesem Jahr war sowieso alles anders. Mit dem Fall der Berliner Mauer waren auch die östlichen Länder Europas plötzlich wieder freier zugänglich - ein unglaublich einschneidendes Ereignis, das aus heutiger Perspektive für die jüngeren Generationen in dieser Intensität vielleicht gar nicht mehr so nachvollziehbar ist -und Renate Christin machte sich auf den Weg. Führten sie ihre Reisen vorher nach Frankreich, Italien, Dänemark, nach Washington oder nach New York, so erkundete sie nun Länder wie Slowenien, den Balkan, Rumänien, die Ukraine, sogar bis in die Innere Mongolei erweiterte sie ihren Horizont und erfuhr die Donau bis ans Schwarze Meer. 2300 Flusskilometer – immer auf Frachtschiffen, in mehreren Etappen, den Blick ungeschönt auf die Realität gerichtet und die Augen offen für alle Facetten des Lebens: Die Schufterei auf den Schiffen und in den Hafen, vom Krieg zerstörte Infrastrukturen, beeindruckende Schönheiten der Natur und weniger schöne Auswüchse der Besiedelung.

Eine kleine Anekdote hierzu: Was so erst gar nicht zu erwarten war: Das schwierigste Unterfangen an diesem Projekt „Lebens-Fluss Donau“ war es, eine Reederei zu finden. Was, eine Frau? Wo sollen wir die hintun? Geht überhaupt nicht, etc. Schließlich fasste sich ein Würzburger Kapitän ein Herz und meinte „Probieren wir es“. Fast so ähnlich wie beim ersten Galeristen in Bad Abbach. Ab da war der Bann gebrochen. Seine Empfehlung an die Kollegen: Die könnt ihr nehmen, die funktioniert.

Renate Christin ist eine weltoffene, unternehmungslustige Person, von schier grenzenloser Neugierde und Anpassungsfähigkeit.

Diese Offenheit spiegelt sich auch in Renate Christins Malerei wider. Ihre Arbeiten entstehen nicht an der Staffelei, sondern liegend, denn die Künstlerin möchte von allen Seiten an das Bild herantreten können. Der Perspektivenwechsel ist ihr wichtig. Im Modus des Spiels – auch im Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz - finden sich die Motive, intuitiv werden verschiedene Materialien miteinander in Verbindung gebracht, ergeben sich die Farbwelten. In diesen Momenten der tiefen Versenkung konzentriert sich ihr Schaffensprozess, kristallisiert sich die dominierende Bildfarbe heraus, setzt die Künstlerin die entscheidenden Akzente. Dafür braucht es auch vor allen Dingen eines: Ein klares Selbst-Bewusstsein.

Müsste man Renate Christins Kunst mit einem Merkmal beschreiben, so wäre es bestimmt ihr besonderes Gespür für die Farbstimmung, mit denen sie ihre figurativ-abstrakte Malerei für die Interpretationen des Betrachters öffnet. Gott sei Dank muss man das aber nicht, denn Renate Christins Kunstschaffen ist viel zu vielseitig, um auf einen Aspekt reduziert zu werden.

Der Kunst- und Gewerbeverein Regensburg bietet genügend Raum, dieser Vielseitigkeit gerecht zu werden. Ohne strikt chronologisch angeordnet zu sein, zeigt die Ausstellung die künstlerischen Entwicklung Renate Christins auf: Deutlich erkennbar an der Farbpalette von anfänglich in Erdfarben gehalten Arbeiten – wie etwa im hinteren Raum - hin zu starkem, kräftigem Rot und Blau.

Die Ausstellung spannt auch einen Bogen von früheren politisch und sozial motivierten Arbeiten wie z.B. „homeless people“ (Aufenthalt in New York) oder „Die vergessenen Frauen von Tusla“ über exemplarische Arbeiten aus den Langzeitprojekten „Straßen Europas“, des Weiteren Installationen aus der Serie „Gemeinsames Haus Europa“ bis hin zu ganz aktuellen Werken. Frühe Keramikarbeiten setzen einen spanungsreichen Kontrapunkt zur Malerei.

Die Vielseitigkeit in Renate Christins Werk ist keine Beliebigkeit. Sie steht in direktem Bezug zu ihrer charakterlichen Offenheit. Sie wählt das Medium, das am besten für die Umsetzung ihrer Aussage geeignet ist. Oder auch mehrere Medien: Malerei, Fotografie und Film. Es gibt keine Hierarchie, keine Dominanz, sondern Gleich-Wertigkeit. Wunderbar auf den Punkt gebracht in einer Aussage von Renate Christin in ihrem Projekt „Fremde / Freunde“: Den Anderen wahrnehmen, annehmen und stehen lassen.

Diese Fähigkeit, den anderen in seinen Eigenheiten bestehen lassen zu können, hat natürlich auch sehr viel mit dem eigenen Standing zu tun. Und Standing hat Renate Christin in ihrer langen Karriere in vielen Kunstaktionen, in zahlreichen Ehrenämtern immer wieder bewiesen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gerne auf die Kataloge verweisen, und sie gerne zur Lektüre einladen. Sie sind nicht nur ein optischer Genuss, die Texte und Zitate – gerade auch über den Traum von Europa nach dem Fall der Mauer – laden im Kontext der Entwicklungen in nicht einmal 35 Jahren zur tieferen Reflexion ein und auch die beeindruckend umfassende Ausstellungstätigkeit sowie das Engagement in verschiedenen Vereinigungen ist in den Katalogen gut dokumentiert.

Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang lediglich nur, wie viele Künstlerinnen und Künstler Renate Christin miteinander vernetzt hat, zu uns nach Regensburg gebracht hat und im eigenen Haus in großer Gastfreundschaft untergebracht hat. Im Grunde ist euer Zuhause, liebe Renate, auch ein einzigartiges artist-in-residence-center.

Sehr verehrtes Publikum,
wenn Sie jetzt den Wunsch nach „mehr“ verspüren, so möchte ich Sie gerne in den geselligen Teil des Abends hinüberleiten und wir möchten Sie auch gerne für die Führungen am 16. und 30. Juni begeistern. In bewährter Manier wird Tony Kobler mit kunsthistorischen und kulturtheoretischen Einlassungen zum Gespräch einladen und auch Renate Christin wird mit dabei sein. So haben Sie den Zusammenklang von Werk, O-Ton und ästhetischer Reflexion. Treffpunkt 14 Uhr.

Liebe Renate: Im Namen aller möchte ich jetzt Danke sagen
Danke für Dein Werk, Danke für dein Wirken.

 

Bildnachweis
Dr. Georg Haber, Renate Christin, Dr. Antonia Kienberger | Foto: Wolfram Schmidt

Links

Zur Ausstellung im Kunst- und Gewerbeverein Regensburg e.V.

Zur Galerie Erdel, Regensburg, die die Künstlerin seit Jahren vertritt.